Die SPD-Landtagsfraktion übt massive Kritik an der gegenwärtigen Abschiebepraxis des baden-württembergischen Innenministers. Es bestehe der Verdacht, so die Fraktionsvorsitzende Ute Vogt, dass der Minister die parlamentsfreie Zeit und die damit verbundene eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Landtags bewusst nutze, um verstärkt Abschiebungen vorzunehmen.
Es gehe der SPD dabei insbesondere um solche Fälle, in denen zuvor die Härtefallkommission die dringende Bitte an das Ministerium gerichtet hatte, von einer Abschiebung abzusehen und den Betroffenen stattdessen ein Bleiberecht einzuräumen. Der SPD-Landtagsfraktion sind solche Fälle u. a. aus Schwäbisch Gmünd, Weil der Stadt und Kupferzell bekannt.
Bei der SPD-Landtagsfraktion gibt es Hinweise, dass die derzeitige Abschiebepraxis auch bei der Härtefallkommission des Landes, die im vergangenen September ihre Arbeit aufgenommen hat, für großen Unmut sorgt. Auch dort herrsche der Eindruck, dass immer häufiger Ersuchen der Härtefallkommission, von Abschiebungen abzusehen, missachtet werden und damit die Arbeit dieser Kommission insgesamt infrage gestellt wird.
Ute Vogt: „Ich fordere den Innenminister auf, seine Abschiebeentscheidungen der letzten Zeit noch einmal sorgfältig zu überprüfen und zu der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Härtefallkommission zurückzukehren, wie dies zu Beginn unbestritten der Fall war.“
Nach einem Bericht von Innenminister Rech im Innenausschuss des Landtags im Februar 2006 hat das Innenministerium bis dahin in fast 90 Prozent aller Fälle dem Ersuchen der Härtefallkommission stattgegeben und Abschiebungen nicht vorgenommen. Die SPD-Landtagsfraktion hat jetzt eine parlamentarische Initiative gestartet, um genaue Zahlen darüber zu erhalten, wie sich diese Situation seitdem verändert hat.
Landesregierung soll sich für humanitäre Bleiberechtsregelung einsetzen
Vor dem Hintergrund der ständig steigenden Zahl von Fällen, mit denen sich die Härtefallkommission inzwischen beschäftigen muss, wird nach Ansicht der SPD-Fraktionsvorsitzenden ein humanitäres Bleiberecht immer dringlicher. Sie fordert Ministerpräsident Oettinger auf, bei seinen Amtskollegen auf die rasche Einführung einer solchen Bleiberechtsregelung für so genannte Altfälle zu dringen. Dies sei umso wichtiger, nachdem sich die Innenministerkonferenz vor kurzem in dieser Frage nicht habe einigen können.
Vogt erinnerte den Ministerpräsidenten auch an jüngste Äußerungen von Staatsminister Willi Stächele. Stächele hatte in einem dpa-Gespräch am 4. April 2006 gefordert, dass die Abschiebepraxis menschlicher werden müsse: „Wir müssen die teilweise unsinnigen, kuriosen und menschenunwürdigen Abschieberegeln reformieren“, so Stächele in dem dpa-Gespräch. Vogt mahnte den Ministerpräsidenten, den Vorstoß seines Staatsministers aufzugreifen und sich mit aller Macht für ein humanitäres Bleiberecht für Altfälle einzusetzen.